Freitag, 28. Oktober 2016

Hofmann bewundert Lady Ashburton


Lady Ashburton (1805-1857)
Bei seiner Ankunft auf dem Landsitz The Grange in Northington hatte Hofmann Lady Ashburton zunächst nicht zu Gesicht bekommen, jetzt war er zum Dinner abends um 8 Uhr gespannt, sie kennenzulernen.
Es dauerte nicht lange und die Dressing Bell ertönte bereits.
Er eilte in den Speisesaal, aber die Lady kam erst im letzten Moment, so dass er sich nur kurz vorstellen konnte.
Die Ausstattung des Saales war von einfacher aber gediegener Pracht.
Nur wenige Bilder schückten den Raum, aber was für Bilder! Er traute seinen Augen kaum, als er das Porträt Karl V. von Tizian erkannte, eines von den dreien, welches der Meister von Cador gemalt hat.
Völlig überrascht war er von der hohen Zahl der Gäste. Er hatte maximal 12 Personen erwartet, statt dessen war eine Tafel mit 30 Couverts gedeckt. Außer seinem Reisegefährten kannte er nur noch Herrn Venables, den er öfters im Stadthaus der Familie getroffen hatte. Die meisten Gäste waren Nachbarn der Grange, viele von ihnen hatten am Morgen die Jagd mitgeritten.
Das Dinner war opulent ähnlich wie im Stadhaus der Ashburtons.
Hoffmann fiel dabei besonders auf, dass der Hausherr sich mit einer Milchsuppe begnügen musste, hatte er doch erst kürzlich einen Anfall von Gicht durchstehen müssen, wie er verlauten ließ.
Um 22.30 Uhr wurde die Tafel aufgehoben und es bildeten sich einzelne Gruppen nach Belieben.
Hoffmann suchte die Nähe von Lady Ashburton. Sie war eine vornehme, stattliche Erscheinung und immer noch eine schöne Frau, wie er fand, trotzdem sie bereits ihre Jugendblüte überschritten hatte. Wie er überhaupt erstaunt feststellen musste, wieviel prachvollen vor Gesundheit strahlenden Frauengestalten er schon in der Aristokratie begegnet war.
Er kam auch auf diesen Punkt mit Lady Ashburton zu sprechen.
„No wonder“, sagte sie, „for centuries the English nobleman has been marring either for money or for beauty.“
Um 23 Uhr verabschiedete sich Lady Ashburton und es wurde still im Drawing-room. Einige Gäste waren noch nach Hause gefahren, andere hatten sich auf ihr Zimmer zurückgezogen. Nur Thomas Carlyle wollte noch gern seine Pfeife rauchen. Da Lady Ashburton das Rauchen im Haus verboten hatte, strebte er zur Terrasse vor dem Haus und forderte Hofmann auf, ihm Gesellschaft zu leisten, was dieser mit Vergnügen tat.
Es war wieder ein Vergnügen, ihm zuzuhören und er gab keine Ruhe, bis Hofmann wenigstens eine Zigarre mitrauchte.
Zurück in seinem gemütlichem Appartement mit Kaminfeuer ertappte er sich dabei, dass seine Gedanken ständig bei Lady Ashburton weilten.

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(Engl. Fassung Herr der Düfte, Biografie Dr. W. Haarmann/Schüler v.  Hofmann)




Freitag, 14. Oktober 2016

Hofmann zu Gast bei Lord Ashburton

The Grange, Northington

Hofmann´s Gönner Lord Ashburton hatte schon viel zur Förderung des College of Chemistry beigetragen und oft hatte dieser eine Einladung zum Besuch seines Landsitzes in Hampshire an der Südküste von England ausgesprochen.

Der Landsitz The Grange mit seinem Landschaftspark in Nothington gehörte seit dem 19. Jahrhundert der Familie Ashburton.

Stets hatte Hofmann gezögert, weil er sich einbildete, der Aufenthalt in dem Hause eines englischen Edelmannes muss für jeden, der nicht zur High Society gehört, höchst unbehaglich sein.
Jetzt hatte er erneut eine Einladung erhalten, an der er wohl nicht mehr vorbeikam. Mit dem Text: Any time between the first of December and the 31. of January.


Es wäre sicher sehr unhöflich gewesen, diese erneute Einladung, die überdies einen so weiten Zeitraum umfasste, abzulehnen. Und das einem Mann gegenüber, dem das College so viel Dank schuldete.Auch musste Hofmann sich eingestehen, dass er als junger Witwer für jede Abwechslung von seinem öden privaten Dasein dankbar sein sollte.
Also hatte er die Einladung angenommen, zumal das Laboratorium bis zum 10. Januar 1853 geschlossen blieb.
So machte er sich nach Neujahr auf den Weg und saß nun im Schnellzug von Waterloo Station nach Andores, der Station, von der aus man den Landsitz nach einer kurzen Wagenfahrt erreichte. Unterwegs ging ihm das alte Wort durch den Kopf, das sich wie schon oft bewähren sollte:


Difficilia quia non audemus

Nach dem Aussteigen aus dem Schnellzug staunte er nicht schlecht, stand doch bereits eine Equipage seiner Lordschaft bereit.

Er ging auf den Wagen zu und musste zu seiner Überraschung feststellen, dass dort bereits ein älterer Herr Platz genommen hatte, den er sofort erkannte, obwohl er ihm noch nie begegnet war. Es handelte sich um Thomas Carlyle, den grossen Literaten und Historiker, Übersetzer von Goethes Faust. Es schien ihm ein gutes Omen zu sein, mit diesem grossen Freund für alles Deutsche in die Grange einzuziehen.
Dort waren Diener postiert, einer von ihnen nahm Hofmanns Reisetasche und führte ihn zu seinem Appartement, während Carlyle sofort zu dem seinigen ging, das stets für ihn bereitstand.
Hofmanns Appartement bestand aus zwei kleinen Zimmern mit jeweils einem Fenster, sitting-room und bed-room mit Aussicht auf den Park. Sie waren einfach, aber sehr behaglich eingerichtet. Auf dem Tisch lag eine Fülle der schönsten Schreibmaterialien, so eine ganze Schachtel mit De La Rue`schem Notepaper, was den Gast zum Schreiben geradezu herausforderte.
Hofmann hatte gerade von diesen Herrlichkeiten Besitz ergriffen und die Feder schon in der Hand, als es an der Tür klopfte. 
Lord Ashburton begrüßte Hofmann freundlich und sagte:
„Sie müssen sich hier möglichst nach Ihren Gewohnheiten einrichten, deshalb will ich Sie gleich mit der Hausordnung der Grange bekannt machen. 
Morgens früh - Sie brauchen nur die Stunde zu bestimmen - wird Ihnen eine Tasse schwarzer Kaffee auf das Zimmer gebracht; um 9 Uhr ist Breakfast und um 1 Uhr Luncheon. Sie entschuldigen mich aber, wenn ich gelegentlich fehle; ich muss mich in der Regel mit dem einen oder dem anderen begnügen. Es sind aber stets eine Anzahl Herren und meist einige Damen anwesend. Hier kann übrigens jeder machen, was er will. Hier gilt der Grundsatz des Hauses, den Gästen das größte Maß von Freiheit zu gestatten.“
„Dinner ist um 8 Uhr. Das einzige, was wir von unseren Gästen erwarten, ist, dass sie abends regelmäßig zum Dinner erscheinen. Um 7.30 Uhr werden Sie durch die Dressing Bell daran erinnert, dass Sie für den Rest des Abends uns gehören.“




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